Ein beinahe in Vergessenheit geratenes Kapitel der Wingolfsgeschichte wird in der Ausgabe 4/2024 der Wingolfsblätter (143. Jahrgang, S. 23–27) von Cph. Willi Neusel (T 69) neu beleuchtet: die Gründung des Prager Wingolfs im Jahr 1849. Von dieser Wingolfsverbindung dürften viele Bundesbrüder wohl noch nie gehört haben, schließlich war sein Bestehen war äußerst kurz.
Der Artikel „Der Prager Wingolf von 1849 – eine echte Kurzgeschichte” geht der Frage nach, ob es diesen Wingolf wirklich gab. Dabei findet er unter anderem folgende Antworten: 42 Namen mit der Aktivitätszahl P49, erhaltene Mitgliederverzeichnisse im Prager Universitätsarchiv sowie einen Hinweis in einem Brief aus dem Jahr 1961.
Auch eine Abhandlung über die Studenten-Legionen an der Karls-Universität aus dem Jahr 1934 erwähnt ausdrücklich einen Studentenverein namens „Wingolf“. Dessen Ziele – Ablehnung von Duell und Mensur, Förderung geistiger und körperlicher Entwicklung – stimmen erstaunlich mit denen des heutigen Wingolfs überein, auch wenn es sich nicht um eine direkte Vorläuferverbindung handelte.
Doch warum bestand der Prager Wingolf nur so kurz? Die Antwort liegt in der politischen Lage der Zeit: Nach dem gescheiterten Prager Mai-Aufstand im Jahr 1849 folgte die Restauration und studentische Verbindungen wurden per Erlass erneut verboten.
Der Artikel führt in die politische und kulturelle Situation des Revolutionsjahres 1848/49 in Böhmen ein, beleuchtet die Eigenständigkeit der Prager Korporationsszene (das Bild zeigt übrigens das heutige Hotel Aurus, Důmu Zlaté Studny, im Jahre 1980 – ehemals Kneiplokal der Verbindung Rugia) und das Spannungsfeld zwischen tschechischer Identität und deutschen Verbindungen. Ergänzt wird die Darstellung durch ein Mitgliederverzeichnis, Hinweise auf den Austausch zwischen Prag und Wien sowie die politische Rolle der Wingolfiten vor Ort.
Weiterlesen: Die gesamte Ausgabe 4/24 steht Wingolfiten wie gewohnt auf der Wingolfsplattform zur Verfügung. Wer sich für die verborgenen Seiten der Wingolfsgeschichte interessiert, sollte diesen Beitrag nicht verpassen. In der selben Ausgabe findet sich übrigens auch ein spannender Artikel über Albert Schweitzer.
Foto (beschnitten): David Sedlecký, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons